Dienstag, 2. Oktober 2012

Alte Werkzeugkataloge

Den ersten Antrieb, mich mit der Geschichte der mitteleuropäischen Werkzeughersteller zu beschäftigen, bekam ich durch das Buch "Die Werkzeuge des Schreiners und Drechslers" von Günther Heine und vor allem durch seine Doktorarbeit über die Hamburger Werkzeugmacher 1). Für diese Arbeit hat Heine die besonderen Umstände erforscht, die in der Hansestadt zu einem neuen Berufsstand geführt haben. In seinen vergleichenden Betrachtungen mit den Werkzeugfabriken in Mitteleuropa nennt Heine Namen, zeigt Werkzeuge, Herstellerstempel und Katalogauszüge. Aus diesen Daten ist damals eine erste Zusammenstellung auf meiner Homepage entstanden.

In Heines Werkzeugbuch spielen die Hersteller keine große Rolle. Aber um die Vielfalt der früher produzierten Hobel zu zeigen, bringt er an vielen Stellen Auszüge aus alten Katalogen, die heute noch in Bibliotheken zu finden sind. Aus diesen Daten und meinen eigenen Recherchen in Bibliothekskatalogen und mit der Buch-Suche von Google hatte sich bei mir der Eindruck verfestigt, dass die ersten Werkzeugkataloge in Deutschland bzw. Österreich in den 1860er Jahren entstanden sind.

Der erste dieser Kataloge stammt von Joh. Weiss & Sohn in Wien und erschien 1861. Auf der Weltausstellung in London 1862 erhielt die Firma dafür eine ehrenvolle Erwähnung. 1866 ließ Georg Baldauf einen Katalog mit farbigen Lithographien seiner Werkzeuge drucken. Und drei Jahre später erschien Franz Wertheims "Werkzeugkunde", wegen der farbigen Darstellungen einer großen Anzahl von Werkzeugen und dank Wertheims PR-Talent wohl der bekannteste Katalog aus dieser Zeit. Abbildungen der Titelseiten habe ich in einem anderen Blogbeitrag wiedergegeben.

Diese drei Werke hatte ich also bisher für die frühesten deutschsprachigen Kataloge gehalten. Einen weiteren Katalog von Joseph Steiner (ca. 1870) entdeckte ich in der Technischen Informationsbibliothek Hannover.

Als deshalb vor einiger Zeit eine Preisliste von Joh. Weiss aus dem Jahr 1858 angeboten wurde, war ich zuerst misstrauisch. Der Verkäufer bestätigte aber diese Jahresangabe und tatsächlich ist das Vorwort mit 1858 datiert. Der Text lässt vermuten, dass diese Preisliste nicht die erste ihrer Art von der Firma Weiss ist.


Preisliste Joh. Weiss (1858)

Erstaunlich ist das eigentlich nicht, denn die Firma Weiss existierte bereits seit 1820. Als Absatzgebiete werden in einer Quelle von 1845 "Polen, Preußen, Baiern, Türkei, Serbien und Griechenland" genannt. Man kann also annehmen, dass die Fabrik spätestens in den 1840er Jahren eine Größe erreichte, die gedruckte Kataloge als Grundlage für Bestellungen nötig machte.

Von anderen Firmen kenne ich eine ähnlich alte Preisliste nur von Joseph Steiner in Laupheim. Die von der State Library of Victoria online gestellte Liste soll laut deren Katalog von 1862 sein. Interessant sind die Bezüge bei den einzelnen Posten auf eine entsprechende Nummer im Musterbuch. Offensichtlich hat auch die Firma Steiner bereits zu dieser Zeit Zeichnungen ihrer Werkzeuge veröffentlicht.

Ein besonders spannendes Zitat stammt von Franz Wertheim selbst. Er schreibt im Vorwort zu seiner "Werkzeugkunde", dass er bereits in den Vierziger Jahren "eine Anzahl lithographirter Werkzeugtabellen" herausgegeben habe. In einem Katalog der "Kreis-Muster-Modelle-Sammlung von Unterfranken und Aschaffenburg" von 1856 wurden 15 "Tafeln mit Zeichnungen von Tischlerwerkzeugen von Franz Wertheim in Wien" aufgelistet.

Neben den ganz frühen Preislisten der Firma Johann Weiss warten also zumindest noch das erste Musterbuch von Joseph Steiner und die lithographierten Werkzeugtabellen des Franz Wertheim auf ihre Entdeckung. Bis dahin bleibt meine Weiss-Preisliste von 1858 der älteste mir bekannte deutschsprachige Werkzeugkatalog.


Quellen:
1) Dr. Günther Heine
Hamburger Werkzeugmacher im 19. Jahrhundert - Die gewerbliche Herstellung von Tischlerwerkzeugen
Dissertation Universität Hamburg, Hamburg, 1991