Samstag, 22. Oktober 2011

Ein Wespenhaus

Wenn mein Enkel Lars zu Besuch ist, geht er gerne mit mir in die Werkstatt. Ich muss mir nie ausdenken, was wir dort machen könnten, denn Ideen hat er selbst genug. Dieses Mal sollte es ein Haus für die Wespen werden. Keine Ahnung, wie er auf diese Idee kam. Vielleicht wollte er den Wespen was anbieten, damit sie uns in Ruhe lassen, wenn wir draußen essen.

Jedenfalls hat Lars eine genaue Vorstellung, wie das Haus aussehen soll. "Da müssen wir zwei Bretter so schräg abschneiden (zeigt mit den Händen ein Dach), und dann brauchen wir eine Tür. Hast du so Teile, wo man eine Tür dranmachen kann?" Kleine Scharniere habe ich sicher irgendwo, aber wie soll ich mit einem Vierjährigen ein richtiges Haus mit funktionierender Tür bauen?

In der Werkstatt zeichnet Lars erst mal eine Giebelwand auf ein Stück Holz. "Säg das aus, Opa!" Ich denke an all die Teile, die wir brauchen werden, an das Verleimen, und an die Tür mit Scharnieren. Die Größe der Aufgabe lähmt mich, aber Lars drängt: "Sonst mach ich das." Alleine sägen kann er noch nicht, mit der Gestellsäge geht es aber gut zu zweit. Weil die Teile für ein Haus aber winklig sein müssen, säge ich dieses Mal alleine. Zuerst mal einfach ein Stück vom Ende des Brettes, dann noch eins und noch einige, und wunderbarerweise lässt sich daraus ein Kästchen zusammensetzen.

Lars ist zufrieden. Von einem Dach ist keine Rede mehr, und als ich aus einem Brettchen mit der Schweifsäge einen Bogen als Tür aussäge, leuchten seine Augen. Bis das Häuschen zusammengeleimt ist, würde viel zu lange dauern, also nageln wir die Brettchen zusammen. Das macht sowieso mehr Spaß und weil wir die Löcher vorbohren, ist es auch für Lars ganz einfach. Zum Abendessen können wir der Familie stolz unser Wespenhaus zeigen.
Am nächsten Tag malen wir das Häuschen noch mit Wasserfarben bunt an. Und mit einem kleinen Haken im Dach wird es gleich im Zwetschgenbaum aufgehängt.


Lars füllt einen Plastikdeckel mit Honig, schiebt ihn durch die Türöffnung, und das Wespenhaus wartet auf seine Gäste. Tatsächlich finden sich bald die ersten Wespen ein, und auch die Ameisen holen sich ihren Anteil am Honig.


Ich bin auch zufrieden, weil ich was dabei gelernt habe. Einen fertigen und komplizierten Plan im Kopf zu haben, kann einen davon abhalten, eine Aufgabe zu lösen. Mit meinem Erwachsenendenken wären wir nicht weit gekommen. Einfach mal mit einer Idee anfangen und sehen, wie sie sich verändert und was dabei entsteht, und sich überraschen lassen.

Bei unserem nächsten Projekt, einer "Rakete", war ich jedenfalls schon wesentlich gelassener. Fliegen kann man damit zwar nicht, aber sie ist toll geworden. Und sogar groß genug, daß die Mama "mitfliegen" kann.