Dienstag, 16. November 2010

Hobelbau klassisch - Spanloch ausstemmen

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Das Spanloch eines Hobels mit Wangenwiderlager mit seinen vielen verwinkelten Flächen stellt eine große Herausforderung dar. Ich bin das etwas zu naiv angegangen und dachte, mit Bohrern, einem Lochbeitel und einem Satz Stechbeitel wird das schon gehen.

Tatsächlich kommt man damit schon recht weit. Einen großen Teil des Abfalls habe ich mit einem Zentrumbohrer in der Bohrwinde und, entlang der Eisenauflage und der Vorderwand des Spanlochs, mit einem kleineren Bohrer entfernt. Die Reste zwischen den Bohrlöchern ließen sich gut mit Stechbeiteln entfernen. Als ich bei zwei Dritteln der Tiefe angelangt war, habe ich das Hobelmaul von unten einige Millimeter tief ausgestochen und von da aus mit einem dünnen Bohrer mehrmals nach oben durchgebohrt. Damit verhindert man beim Tiefergehen Ausbrüche am Hobelmaul. Dann ging es von oben weiter mit Stechbeiteln, bis - von den Anrissen außen und den Bohrungen von unten geleitet - das Hobelmaul geöffnet war.


Schwierigkeiten bekam ich bei dem Versuch, die seitlichen Vertiefungen zwischen Eisenbett und Wangenwiderlager zu bohren bzw. auszustemmen. Da hätte ich vielleicht vorher noch mal nachlesen sollen, denn Whelan empfiehlt für diesen Zweck eine Schlüssellochsäge. So eine Säge habe ich leider nicht, aber mit einer traditionellen Stichsäge gelangen mir die Einschnitte dann recht gut. Jetzt war ich neugierig geworden und habe erst einmal versucht herauszufinden, welche Werkzeuge denn die alten Hobelbauer benutzt haben.

Die Ausbeute dieser Suche ist recht überschaubar, denn es gibt nicht viele Quellen. Auf die Artikelserie von William J. Armour aus dem Jahr 1898 hatte ich im letzten Beitrag schon verwiesen. Weitere Quellen in der Literatur habe ich unten aufgelistet.

Kurz gesagt bestand der Werkzeugsatz eines Hobelmachers aus einer Anzahl Beiteln (Lochbeitel, verschiedene Stechbeitel, teilweise mit schräg geschliffener Schneide oder an Schnitzmesser erinnernd), mehreren kleinen Sägen ähnlich den Schlüssellochsägen und verschiedenen Schablonen und Klemmvorrichtungen. In den englischen, amerikanischen und französischen Sammlungen sind außerdem sogenannte Floats enthalten. Das sind Werkzeuge zum Schaben, die man als Mischung aus Hobel, Säge und Raspel beschreiben könnte und die eine saubere und ebene Oberfläche auf schwer zugänglichen Bereichen erzeugen.

Die Sägen werden so beschrieben, daß ihre Zähne nicht geschränkt und schräg angeschliffen sind. Das entspricht genau einer Stich- oder Lochsäge, wie sie in Deutschland früher üblich war. Ich könnte mir vorstellen, daß es zum Einsägen der seitlichen Vertiefungen von oben günstig wäre, wenn das Blatt einer solchen Säge nicht spitz ausläuft, sondern eher wie bei einem Fuchsschwanz stumpf oder abgerundet. Eine Bezahnung auf Zug würde das Arbeiten in dem beengten Raum erleichtern und das Blatt könnte dann auch dünner gehalten werden. Ich habe, wie gesagt, eine Stichsäge verwendet, aber die Schnittflächen noch mit Beiteln nacharbeiten müssen.

Was ich für meinen Hobelbau nicht verwenden will, sind die genannten Floats, denn unsere frühen Hobelmacher mußten auch ohne sie auskommen. Das beweist ein Reisebericht von Karl Karmarsch (Polytechnisches Journal, 1852: "Eigenthümliche Art Raspeln"), der schreibt: "Ich gebe den Werkzeugen, von welchen ich hier sprechen will, den Namen Raspeln, weil ich keine deutsche Benennung dafür weiß, indem der Gegenstand bei uns völlig unbekannt ist." Ich glaube, daß man alle Arbeiten, für die z. B. in England Floats verwendet wurden, auch mit (eventuell entsprechend zurechtgeschliffenen) Beiteln oder mit der Stichsäge machen kann.


Hier sieht man jetzt den aktuellen Stand meiner Arbeit. Die Spanöffnung ist fast fertiggestellt. Das Eisen läßt sich schon einsetzen, aber der Bereich zwischen Eisen und Widerlager muß noch etwas verbreitert werden, damit der Keil (hier von einem anderen Hobel ausgeliehen) tiefer kommt. Alle Flächen müssen noch abschließend geputzt werden. Das gilt besonders für das Eisenbett, das vollkommen eben sein muß. In verschiedenen Quellen wird berichtet, daß die Eisenauflage mit einem breiten Beitel mit langem Griff bearbeitet wird, wobei der Beitel mit der Schulter geschoben wird. Das kann man sehr schön sehen in dem Video über die Firma Raggenbass, das ich in diesem Beitrag vorgestellt habe.


Jetzt werde ich mich an den Keil machen. Bis dann!

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Quellenangaben:
Werkzeuge von englischen Hobelbauern befinden sich in der Hawley Collection in Sheffield. Dort gibt es auch einen Film über die Arbeit eines der letzten Hobelmacher bei William Marples.
Die Werkzeuge in dieser Sammlung werden gezeigt in dem Buch
British Planemakers from 1700, W. L. Goodman, Astragal Press, 1993
und im
Dictionary of Woodworking Tools, R. A. Salaman, Astragal Press, 1997
Ein Bericht über die Werkzeuge eines amerikanischen Hobelbauers ist in dieser Zeitschrift erschienen:
Making wood planes in America, The Chronicle, Vol. VIII, EAIA, 1955
Werkzeuge für den Hobelbau, die von einer französischen Firma stammen, sind abgebildet und beschrieben in
Les Rabots, Pierre Bouillot et al., Edition Vial, 2010

Donnerstag, 11. November 2010

Hobelbau klassisch - Das Projekt

Schon lange hatte ich vor, einen Hobel selbst zu bauen. Nicht daß ich unbedingt noch einen brauche, das wäre bei dem Umfang meiner Sammlung schwer zu rechtfertigen. Aber ich beschäftige mich viel mit den Herstellern von Hobeln, und schließlich habe ich Lust bekommen, selbst mal einen zu machen.

Die selbst gebauten Hobel, von denen in den diversen Foren berichtet wird, sind meistens entweder aus mehreren Teilen verleimte sogenannte Krenov-Hobel oder eher aufwendige Infill-Hobel aus Stahl, Messing und exotischen Hölzern. Ich will dagegen einen einfachen Fausthobel bauen, wie er in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Ländern üblich ist, mit eingegrateter Nase und einem Wangenwiderlager. Da ich keine deutschsprachigen Quellen darüber kenne, wie diese Hobel hergestellt wurden, ist der Bau gleichzeitig eine Zeitreise in die frühen Werkzeugfabriken.

In meiner Werkstatt lagert schon länger ein Stück Weißbuche, das mir Andreas mitgebracht hat, als wir uns anläßlich der Ausstellung zur Firma Ott in Ochsenfurt getroffen haben. Auch schon einige Jahre steht in meinem Bücherregal das Buch "Making Traditional Wooden Planes" von John M. Whelan (Astragal Press, 1996). In meiner Sammlung fand sich schließlich ein praktisch neues Kirschen-Hobeleisen, ein Einfacheisen von 48 mm Breite. Der Weißbuchenblock wird nur einen Hobel von 22 cm Länge hergeben, und so habe ich mich entschieden, einen Putzhobel zu bauen. Zum Ausgleich dafür, daß das Eisen keine Klappe hat, werde ich ihm einen Bettungswinkel von 50 Grad geben.

Zuerst habe ich die mit Leim versiegelten Enden des Klotzes abgeschnitten, die Kernseite als zukünftige Sohle mit Schlicht- und Putzhobel abgerichtet und von da ausgehend Dicke und Breite des Hobels abgemessen und auf Maß gehobelt. Die Rechtwinkligkeit aller Kanten ist kritisch, steht im Whelan, und wenn man sich die komplexen Risse für das Hobelmaul anschaut, weiß man auch, warum. Das Hobeleisen muß perfekt gelagert sein und soll sich später auf Millimeterbruchteile genau einstellen lassen. Schon kleinere Ungenauigkeiten werden dann Schwierigkeiten bereiten oder den Hobel gänzlich unbrauchbar machen.




Das Photo zeigt den fertig vorbereiteten Weißbuchenklotz mit der angerissenen Spanöffnung und dem Hobelmaul. Seitlich sieht man die Linien für das Hobeleisenbett und die Vorderkante des Keils. An den oberen Kanten sieht man noch etwas Rinde. Ich hoffe, das wird beim Abrunden der Kanten wegfallen. Darin liegt auch der Grund, warum ich nicht die Splintseite als Sohle gewählt habe, wie es allgemein empfohlen wird.

Als nächstes steht jetzt das Aushöhlen des Spanlochs an. Bis dann!

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Links:
Practical Plane Making by William J. Armour
Building a Traditional Coffin Smoother by Leif (Norse Woodsmith)

Dienstag, 9. November 2010

Die Werkzeugfabrik Baldauf - eine Schweizer Gründung?

Die Werkzeugfabrik von Bölsterli ist mir zum ersten Mal begegnet in Josef Grebers Buch "Die Geschichte des Hobels". Vom Stadtarchiv in Stuttgart habe ich dann erfahren, daß die Firma Baldauf ihre Geschichte als "Werkzeugfabrik Bölsterli" begonnen hatte. Bestätigt fand ich die Namensänderung auch in verschiedenen Berichten zu Weltausstellungen: etwa um 1860 wurde aus der Werkzeugfabrik "C. Bölsterli & Co." die Firma "G. Baldauf".

Auf die Schweizer Spur brachte mich schließlich das Landesarchiv Baden-Württemberg. In dessen Online-Katalog findet man ein Dokument der Gemeinde Warmbronn (10 km westlich von Stuttgart) von 1842 mit dem Titel: "Gesuch des Werkzeugfabrikanten Caspar Bölsterli von Oberwinterthur, Kanton Zürich, um Aufnahme in das württ. Staatsbürgerrecht zwecks bürgerlicher Niederlassung in Warmbronn und Eheschließung mit Rosine Horn daselbst". Jetzt wußte ich also nicht nur den Vornamen des Fabrikgründers, sondern auch seine Herkunft. Richtig interessant wurde es aber, als ich mit diesen Informationen weitergesucht habe.

Im Zürcherischen Wochenblatt vom 11. Januar 1836 fand ich die folgende "Amtliche Anzeige":
"In Folge erhaltener Anzeige, daß Schreiner Caspar Bölsterli von Oberwinterthur, sesshaft gewesen in Unterstraß, sich von Hause entfernt und niemand kund gethan, wohin er sich verfügt habe, wird derselbe andurch aufgefordert, binnen 4 Wochen, von endsgesetztem Tag angerechnet, zurückzukehren und seinen Gläubigern Rede und Antwort zu geben, unter Androhung, daß ohne dieses seine Entfernung als Schuldenhalber angesehen und Concurs über ihn verhängt würde.
Zürich, den 5. Januar 1836."

Diese Anzeige läßt vermuten, daß Bölsterli nicht ganz freiwillig nach Stuttgart gekommen war. Tatsächlich steckte er nicht nur in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auch sein Privatleben war etwas durcheinandergeraten. Das schließe ich aus einem Gerichtsurteil, das in einem Band der "Beiträge zur Kunde und Fortbildung der Zürcherischen Rechtspflege" erschienen ist. Darin wird ausführlich ein Gerichtsurteil von 1839 aufgrund einer Beschwerde besprochen, die "der in Zürich seßhafte Kaspar Bölsterli, von Winterthur" vor dem zuständigen Bezirksgericht vorgebracht hatte. Dabei geht es um ein Schlichtungsverfahren in der Ehescheidung, die Bölsterli verlangt hatte.

Das glückliche Ende der Geschichte hat dann wohl so ausgesehen:
Abgebrannt und geschieden taucht Bölsterli im Königreich Württemberg auf, um in Warmbronn eine neue Ehe einzugehen und in Stuttgart Deutschlands erste Werkzeugfabrik zu gründen.