Donnerstag, 8. Februar 2018

Was ist ein Fuchsmesser?

Ich vermute, den meisten Lesern wird es so gehen wie mir. Ein Fuchsmesser, dachte ich, ist ein Zugmesser, hergestellt von der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt. Das Markenzeichen der Firma ist ein springender Fuchs mit dem Buchstaben F jeweils rechts und links davon.

Diese Anzeige von 1928 schien meine Annahme zu bestätigen. 1)

Aber kürzlich wurde in einem niederländischen Forum ein Zugmesser gezeigt, ebenfalls mit einem Fuchs als Markenzeichen. Dieser Fuchs sah irgendwie anders aus, in gemächlichem Gang, und die begleitenden Buchstaben fehlten. Rein zufällig stieß ich ein paar Tage später auf die Anzeige einer Firma H. W. Buschhaus, die unter anderem Zugmesser herstellte. Auch sie benutzte einen Fuchs als Markenzeichen und warb in der Anzeige mit der Herstellung echter Fuchsmesser. 2)

Anzeige H. W. Buschhaus (1924)

Jetzt war meine Neugier geweckt, und ich wollte mehr wissen. Einen erhellenden Artikel habe ich in einer Wagenbau-Zeitung von 1866 gefunden. 3)

Ein großer Schwindel wird schon seit einigen Jahren mit den Ziehmessern für Stellmacher getrieben; die anerkannt besten Ziehmesser liefert bekanntlich der Feilenhauer und Zeugschmiedemeister Fuchs in Canstadt bei Stuttgart (in Württemberg). Seitdem nun unter den Stellmachern das Fuchs'sche Fabrikat bekannt ist und die Probe in der Feinheit der Schneide als unnachahmlich bestanden hat und bisher noch von keinem Concurrenten übertroffen wurde, lassen es sich einige Individuen angelegen sein, mit geringeren Fabrikaten ganz Deutschland zu bereisen und solche den Stellmachern und den Eisenwaaren-Händlern als Fuchs'sche Messer aufzudrängen und auf solche Art das Publicum zu betrügen und dem Canstädter Zeugschmied dadurch nicht unerheblichen Nachtheil zu bringen.

Ich bin einem dieser Schwindler in mehreren Werkstätten Hamburgs und Halle's und in anderen Orten begegnet und habe Folgendes vernommen: Einmal ließ er den Fuchs gestorben sein und gab an, das Privilegium oder sein Geheimniß des Härtens erkauft zu haben; ein ander Mal war Hänkel in Ulm der Tochtermann von Fuchs in Canstadt; ein drittes Mal hat Fuchs das Geschäft aufgegeben und Hänkel, als ehemaliger Werkführer (?) hat das Geheimniß des Härtens entlockt und ähnliche Lügen von Einem, der bereits Jahr aus Jahr ein auf Reisen ist.

Nun habe ich zu erfahren gesucht, ob Fuchs wirklich gestorben sei, und schrieb um 1 Dutzend Ziehmesser; nach Verlauf von 8 Tagen kam ein Packet mit 14 Messern für 10 Thlr., und 19 Sgr. Porto von Canstadt hierher. Bei Bestellung erwähnte ich des Schwindlers Hänkel, und erhielt die Auskunft, daß Fuchs keinen Tochtermann und nie einen Reisenden gehabt und doch nicht genug machen könne; "Hänkel's Geschäft beruhe auf Schwindel." Er (Fuchs) lebe noch immer und habe auch sein Geschäft nicht aufgegeben, ebenso das Geheimniß des Härtens nicht verkauft u. s. w. Wir können nur bezeugen, daß wer einmal mit einem Fuchs'schen Messer gearbeitet hat, ein solches auf den ersten Griff erkennt und sich nie mehr ein anderes wünscht. - Merkwürdiger Weise giebt es in Deutschland jetzt so viele unächte Fuchs'sche Ziehmesser, daß Fuchs, wenn er die Eisenwaaren - Händler alle befriedigen wollte, mehrere Hundert Mann Arbeitspersonal haben müßte, und alle die Ziehmesser sind, wenn man ein solch ächtes von Fuchs verlangt, wohl im Laden um den dritten Theil billiger als direkt von Fuchs bezogen, und hierin ist der Schwindel zu entdecken.

Diese Anzeige aus der gleichen Zeit (1864) zeigt, dass die Bezeichnung "Fuchsmesser" nicht unbedingt in betrügerischer Absicht benutzt wurde. 4) Wer mag wohl der Hersteller dieser "ächt englischen Fuchsmesser" gewesen sein?

Offensichtlich gab es Bemühungen von Seiten der Firma Fuchs in Cannstatt, anderen Herstellern die Benutzung dieses Begriffs zu verbieten. In einer Anzeige von 1913 heißt es etwa "Alleiniger Fabrikant der 'echten Fuchsmesser'" und "Vor Nachahmung meines Zeichens wird gewarnt". Dass sich selbst Experten nicht einig waren, was ein Fuchsmesser denn genau ist, zeigt die folgende Meldung der Dresdner Handelskammer aus dem Jahr 1912. 5)

Ein auswärtiges Landgericht ersuchte die Kammer festzustellen, ob die Beteiligten unter "Fuchszugmessern" Erzeugnisse der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt oder lediglich ein Messer bestimmter Art, gleichviel welcher Herkunft, verstehen. Die Erörterungen der Kammer ergaben, daß die Ansichten unter den beteiligten Werkzeughandlungen geteilt sind. Teils vertreten sie die Meinung, daß unter "Fuchszugmessern" und unter "Fuchsmessern" nur Erzeugnisse der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt zu verstehen seien, teils wollen sie unter "Fuchsmesser" nur ein hohlgeschliffenes Zugmesser verstanden haben, gleichviel von wem es hergestellt worden sei; wenn ein Erzeugnis der Firma J. Fr. Fuchs in Cannstatt gemeint sei, so spreche man von "echten" Fuchszugmessern. Die befragten Verbraucher von Werkzeugen vertraten dagegen übereinstimmend die Ansicht, daß unter Fuchsmessern nur die Erzeugnisse der Cannstätter Firma zu verstehen seien. Der Name könne schon deshalb keine Beschaffenheitsangabe darstellen, weil die allgemeine Bezeichnung "Zug"- oder "Schneidemesser" sei.

Ich vermute, dass dieser Konflikt nie gelöst wurde und bis heute Uneinigkeit besteht. Der Firma Fuchs (heute in Stuttgart) wird es mittlerweile egal sein, denn sie stellt offensichtlich keine Zugmesser mehr her.



Quellen:
2) Die Fabrik- und Warenzeichen (Supplementband), Erich Beltz (Remscheid, 1924)

Donnerstag, 11. Mai 2017

Grabmale von Handwerkern

Meine jüngste Schwester und ich haben kürzlich einen Ausflug mit meiner Mutter gemacht. Sie wollte in der Gegend, wo ihre Mutter aufgewachsen war, einige Orte ihrer Kindheit besuchen. Für uns "Kinder" war das auch sehr interessant, weil wir die Namen der Orte zwar oft gehört hatten, aber nie da gewesen waren.

Aber ich will hier nicht über unsere Familiengeschichte schreiben, sondern über Handwerker. Eine Station auf diesem Ausflug war der Besuch des Friedhofs in Uerzell (Main-Kinzig-Kreis in Hessen), wo meine Urgroßeltern mütterlicherseits eine Mühle besaßen. Friedhöfe sind im allgemeinen ziemlich langweilige Orte. Die Grabsteine ähneln einander und außer dem Namen verraten sie nichts über das Leben des Verstorbenen. Auf diesem Friedhof gibt es aber einige sehr sehenswerte Ausnahmen.

Als erstes aufgefallen ist mir dieser Grabstein, eine Basaltsäule mit einer sehr sauber und genau gearbeiteten Rauhbank. Wenn sie nicht aus Stein wäre, könnte man meinen, hier liegt wirklich der Hobel, mit dem August Müller gearbeitet hat.

Grabmal mit Rauhbank


Hier liegt ein Cousin meiner Mutter begraben. Wie leicht zu erkennen ist, war er Müller, wie sein Vater und sein Großvater, auf der oberen Dielmühle in Uerzell.

Grabmal mit Mühlstein


Mit Namen Müller, aber von Beruf offensichtlich ein Wagner. Dieser Grabstein gefiel mir besonders gut. Vielleicht auch, weil das Rad mit der Inschrift den Kreislauf des Lebens sehr schön symbolisiert.

Grabmal mit Wagenrad


Irmgard Müller war vielleicht Bernhards Frau. Auch sie war Handwerkerin, und besonders gern strickte sie Strümpfe. Den letzten hat sie nicht mehr fertig machen können. Aber ihr Strickzeug liegt da, als könnte sie jederzeit zurückkommen.

Grabmal mit Strickzeug


Grabmale sind für die Lebenden, die Toten haben nichts mehr davon. Und sicher kann es sehr schwierig sein, die Essenz eines Lebens da abzubilden. Aber ich fände es schon tröstlich, wenn mein Grab einmal mehr von mir erzählt als nur meinen Namen.


Quellen:
Diese vier und weitere Grabmale von diesem Friedhof sind hier zu finden:
Ein besonderes Beispiel für Gräber mit Darstellungen von Handwerkern und ihren Werkzeugen ist der Rochusfriedhof in Nürnberg:
Der Handwerkerfriedhof Sankt Rochus zu Nürnberg

Donnerstag, 2. Juli 2015

Harfenständer

Meine Mutter hat früher nie ein Instrument gespielt, aber vor zwei Jahren hat sie die Zauberharfe für sich entdeckt. Praktisch ohne Vorkenntnisse kann man dieses Instrument spielen. Mit ihrer Begeisterung hat sie auch einige Mitbewohnerinnen in ihrem Seniorenwohnheim angesteckt, und diese Gruppe tritt mittlerweile sogar öffentlich auf.

Als ich sie vor einigen Monaten besuchte, fragte sie mich, ob ich ihr nicht einen Ständer für ihre Harfe bauen könne. Sie hatte einen Prospekt für einen solchen Ständer, der nichts anderes als ein abgewandelter Notenständer war. Etwas Ähnliches hatte ich noch nie gebaut, aber ich sagte spontan zu.

Die Zauberharfe

Nach einigem Suchen fand ich in der Zeitschrift HolzWerken einen Plan für einen Notenständer (Heft März/April 2009), der mir sehr gut gefiel. Wegen der zu ändernden Abmessungen habe ich mich erst noch einmal mit dem CAD-Programm Sketchup beschäftigt, um die Proportionen besser beurteilen zu können. Die Tutorials von Heiko Rech und anderen waren mir dabei eine große Hilfe. Schließlich hatte ich einen Entwurf, der mich überzeugte, und ich machte mich an die Arbeit.

Sketchup-Entwurf

Der Ständer besteht aus einer dreieckigen Führungssäule mit eingegrateten Füßen und einer ebenfalls dreieckigen Tragsäule, die das Notenpult oder in diesem Fall das Pult für die Harfe trägt. Das Pult ist sowohl in der Höhe als auch in der Neigung verstellbar. Die Dimensionen habe ich so geändert, dass man die Harfe sowohl im Sitzen als auch im Stehen spielen kann. Außerdem habe ich die Abmessungen des Pultes auf die Harfe angepasst.

Vor vielen Jahren hatte ich mir mehrere Bohlen Birke gekauft für ein Projekt, aus dem dann doch nichts geworden ist. Ein Teil davon war schon besäumt und gehobelt, also konnte ich gleich loslegen.

Für die Führung brauchte ich Bretter mit acht Millimetern Stärke. Dafür habe ich ein Brett mit der Schlitzsäge aufgetrennt.

Auftrennen mit der Schlitzsäge

Das Ergebnis des ersten Schnitts, und was daraus einmal entstehen soll.

Aufgetrenntes Brett

Die drei Bretter für die Führungssäule.

Die Teile der Führungssäule

Die Anleitung beschreibt das Anschrägen der Bretter mit der Tischkreissäge. Das kam für mich nicht in Frage, aber wie hobelt man eine Brettkante im Winkel von 30 Grad? Nach einem erfolglosen Versuch mit einem entsprechenden Anschlag für die Rauhbank kam ich auf die Idee mit diesen Unterlagen. Auf drei Holzklötzen mit einem Winkel von 120 Grad liegen jeweils zwei mit einem Klebeband verbundene Bretter und werden gleichzeitig gefügt.

Führungssäule: Hobeln der Gehrung

So ganz exakt ist das Ergebnis nicht geworden, aber zumindest außen waren alle Fugen geschlossen, Das Ergebnis nach dem Verleimen war überzeugend genug, um weiter arbeiten zu können.

Verleimen der Führungssäule

Für die Tragsäule brauchte ich eine Stärke von 50 Millimetern, also habe ich zwei entsprechende Leisten miteinander verleimt.

Verleimen der Tragsäule

Das Formen der dreieckigen Säule habe ich mit wenig Theorie und viel Praxis hinbekommen. Mit etwas Übung wäre das sicher leichter gewesen, aber das Spiel ist nicht allzu groß.

Führungssäule und Tragsäule

Das Pult besteht aus einfachen rechteckigen Leisten, die an den Ecken überblattet sind. Zur Stabilisierung und zur Befestigung des Pultverbinders sind zwei weitere Leisten eingezogen. Die Abmessungen habe ich dabei so gewählt, dass das Klangloch auf der Rückseite der Harfe nicht verdeckt wird. Am unteren Ende des Pultes wird im rechten Winkel ein Haltebrettchen für die Harfe angeleimt.

Verleimen des Pultes

Eine der Überblattungen an der Mittelleiste. Nicht alle Verbindungen sind mir so gut gelungen.

Überblattung am Pult

Die Tragsäule erhält am oberen Ende einen Einschnitt für den Pultverbinder.

Tragsäule schlitzen für den Pultverbinder

Der Pultverbinder wird eingepasst. Die Tragsäule habe ich wie im Bauplan zu zwei Leisten auslaufen lassen. Mit Hilfe einer Schraube wird dazwischen der Pultverbinder befestigt.

Einpassen des Pultverbinders

Die drei Füße sind mit einem Grat versehen und warten auf ihre endgültige Form.

Füße gegratet

Probeaufbau mit den eingeschobenen, noch grob geformten Füßen und einigen Leimzwingen zur provisorischen Befestigung des Pultes.

Probeaufbau des Harfenständers

Eigentlich wollte ich Schrauben vermeiden, aber weil die Harfe doch deutlich schwerer ist als einige Notenblätter, habe ich schließlich den Pultverbinder doch zusätzlich gesichert.

Harfenständer im "Rohbau"

Ebenfalls schon im obigen Bild zu erkennen ist die Klemmung für die Pultverstellung, die aus einer M8-Schraube und einem (hier noch ungeformten) Holzklötzchen mit Einschlagmuffe besteht.

Klemmschraube für die Höhenverstellung

Hier im Detail die Klemmschraube für die Höhenverstellung. Eine breitköpfige Rändelschraube ist am freien Ende in einen Holzgriff eingeklebt. Sie dreht sich in einer Einschlagmuffe, die auf der Innenseite eines Haltebrettchens befestigt ist. Das Brettchen wird anschließend über einem entsprechend großen Loch in der Tragsäule angeleimt. Den Kopf der Rändelschraube habe ich zur Verbesserung der Reibung mit einem Stück Stoff beklebt.

Der fertige Ständer, noch unbehandelt

So sieht der fertige Ständer aus, nachdem die Füße geformt und eingeleimt sind und auch die Griffe ihre endgültige Form bekommen haben. Fehlt nur noch die Oberflächenbehandlung.

Der Harfenständer, fertig geölt

Zweimal geölt und fertig zur Auslieferung!

Der Harfenständer (Detail)

Die Höhen- und Neigungsverstellung aus der Nähe.

Leider habe ich noch kein Foto vom Harfenständer im Einsatz. Meine Mutter hat sich jedenfalls sehr gefreut und mir versichert, dass der Ständer so funktioniert, wie sie es sich vorgestellt hat.

Nachtrag:
Mittlerweile habe ich ein Foto bekommen.

Der Harfenständer in Benutzung

Donnerstag, 18. Juni 2015

Der Flitschhobel

Kürzlich bin ich bei einer Recherche wieder einmal in der Oekonomischen Encyklopädie von J. G. Krünitz 1) gelandet. Im Zusammenhang mit der Herstellung von Fußbodenbrettern wird dort die Funktion von Nut- und Spundhobel für die Anfertigung einer Nut- und Federverbindung beschrieben. Im weiteren Verlauf kommt dann der Flitschhobel zum Einsatz, und da ich diesen Namen noch nie gehört hatte, bin ich neugierig geworden. Krünitz beschreibt seine Funktion so:

"Die sichtbare Seite eines Bretes zu dem Fußboden behobelt der Zimmermann an der Kante mit dem Flitschhobel, stößt alsdenn die Fläche mit dem Scharfhobel [Schrupphobel] ab, und ebnet sie zuletzt mit einem Schlichthobel."
und im folgenden:
"Der Flitschhobel der Zimmerleute, Fig. 1367o), hat an einer Seite seiner Bahn einen Falz, a b, welchen der Zimmermann an die Kante des Bretes ansetzt, und mit seinem Hobeleisen andeutet, wie tief er das Bret abhoblen will, damit er mit dem Scharf= und Schlicht=Hobel nach einem geraden Striche hobele." So recht konnte ich mir weder den Hobel noch die damit vorgenommene Arbeit vorstellen, zumal die zugehörige Abbildung nicht unbedingt hilfreich ist.


Flitschhobel in der Encyklopädie von Krünitz


Also habe ich weitergesucht, aber die Erläuterungen in anderen Fachbüchern haben mich eher noch mehr verwirrt. Jacob Heinrich Kaltschmidt 2) beschreibt den Flitschhobel als "ein hobelähnliches Werkzeug zum Vorreißen". Bei Pierer 3) ist es ein "Hobel mit einem vorstehenden Rande an der untern Seite, der an der schon glatt gearbeiteten Seite eines Brets läuft, wenn die andre behobelt werden soll".

Bei Günther Heine 4) fand ich schließlich die Abbildung eines Doppelflitschhobels und sah, dass es sich um einen einfachen und sehr langen Falzhobel handelt. Der abgebildete Hobel hat eine Länge von 1230 mm. Heine beschreibt, an Krünitz angelehnt, dessen Funktion so:
"Mit ihm hobelte der Zimmermann an einem grob zugerichteten Balken zunächst entlang der Kanten Falze an. Diese gaben ihm einen Anhalt dafür, wieviel er dazwischen mit dem Ketschhobel wegnehmen mußte, um eine durchgehende, saubere Fläche zu erhalten."


Mit dem Flitschhobel erzeugte Fälze


Jetzt konnte ich mir besser vorstellen, wozu der Flitschhobel verwendet wurde. Aber warum benutzt nur der Zimmermann den Flitschhobel, während der Schreiner seine Bretter mit der Rauhbank abrichtet? Darüber habe ich nichts gefunden, aber der Grund könnte in den unterschiedlichen Abmessungen liegen. Der Schreiner bearbeitet Bretter, die vielleicht maximal zwei Meter lang sind. Der Zimmermann hat mit wesentlich längeren Balken und Brettern zu tun. Diese mit der Rauhbank plan zu hobeln dürfte sehr schwer sein. Deshalb erzeugt er sich zuerst einmal eine Basislinie in Form eines Falzes und arbeitet sich dann mit handlicheren Hobeln auf diese Ebene vor.

J. M. Greber 5) erwähnt den Flitschhobel unter der jüngeren Bezeichnung Fluchthobel, als er über den Falzhobel schreibt:
"In der Folgezeit trat der Falzhobel, wie es scheint, bei den deutschen, französischen und englischen Möbelschreinern etwas hinter den Simshobel zurück, während die Bauschreiner und Zimmerleute ihn in einer grossen, fugbankähnlichen Ausführung benutzten. Der gleiche Hobel ist heute bei den Zimmerleuten als Falz- oder Fluchthobel bekannt. Fluchthobel heisst er deshalb, weil er lange Fälze in eine gerade Linie bringt. Alte Belege für den Namen gibt es nicht."
Diese Belege gibt es wohl deshalb nicht, weil der Fluchthobel in früheren Zeiten Flitschhobel hieß.

Einige schöne Exemplare von Flitschhobeln bzw. Fluchthobeln befinden sich in der Sammlung von K. G. Heid, der mir die folgenden Abbildungen zur Verfügung gestellt hat. Vielen Dank! (Bilder anklicken zum Vergrößern)


Flitschhobel Sammlung K. G. Heid


Flitschhobel Sammlung K. G. Heid


Flitschhobel Sammlung K. G. Heid


Unter dem Namen Fluchthobel ist dieser Hobel in diversen alten Katalogen zu finden, z. B. bei Georg Baldauf (Katalog von 1912, Seite 35) oder bei Friedrich Ott (Katalog von 1940, Seite 45)


Quellen:
1) Johann Georg Krünitz: Oekonomische Encyklopädie oder allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft (Berlin, 1806) (Krünitz Online)
2) Jacob Heinrich Kaltschmidt: Vollständiges stamm- und sinnverwandtschaftliches Gesammt-Wörterbuch der deutschen Sprache (Beck, 1851)
3) Heinrich August Pierer: Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe (Pierer, 1850)
4) Hans-Tewes Schadwinkel, Günther Heine: Das Werkzeug des Zimmermanns (Verlag Th. Schäfer, Hannover, 3. Aufl., 1999)
5) Josef M. Greber: Die Geschichte des Hobels (Reprint im Verlag Th. Schäfer, Hannover, 1987)

Sonntag, 24. Mai 2015

Historische Werkzeugkataloge

Als ich anfing altes Werkzeug zu sammeln, ging es mir noch um das Werkzeug selbst, weil ich damit arbeiten wollte. Aber bald schon kam das Staunen über die Vielfalt der Hobel, Bohrer und Sägen dazu und die Freude an der Schönheit der alten Formen. Und ich wollte mehr wissen über die Geschichte der Werkzeuge. Wie alt ist dieser Hobel eigentlich, wer hat ihn hergestellt? Welche anderen Modelle gab es damals noch und wie haben sich bestimmte Eigenschaften entwickelt? So wie heute muss es doch früher auch Kataloge gegeben haben!?

Eher zufällig habe ich damals erfahren, dass es einen Nachdruck eines Kataloges von Joh. Weiss & Sohn gab. Den habe ich dann in England bestellt, und kurz darauf noch einen Katalog-Nachdruck der Firma Goldenberg. Bald kamen dank Ebay die ersten Originale dazu und immer wieder auch Kopien von anderen Sammlern. Fast 200 Exemplare sind es mittlerweile, sauber in Archivboxen sortiert und gestapelt.

Sehr häufig bin ich am Blättern und Suchen, wenn ein neuer Hobel vom Flohmarkt bestimmt und eingeordnet werden muss. Oft bekomme ich auch Anfragen nach dem Alter eines Werkzeugs, oder jemand hat ein unbekanntes Objekt gefunden und fragt nach Namen und Einsatzzweck. Für eine solche Suche eignen sich die Gesamtkataloge von Händlern sehr gut, wo man auch beim x-ten Durchblättern noch Neues findet.

Irgendwann im letzten Jahr fing ich an, mir Gedanken zu machen über die Zukunft meiner Sammlung und insbesondere der Kataloge. Immer wieder höre ich von Sammlern, die gestorben sind und Nachkommen, die nicht wissen wohin mit dem alten Kram. Wer will schon eine ganze Sammlung kaufen, wenn der Reiz des Sammelns doch gerade darin liegt, ein Stück nach dem anderen zu finden und zu erwerben.

Meine Sammlung von Werkzeugen ist nicht so außergewöhnlich, dass sie mich überleben müsste (mit wenigen Ausnahmen vielleicht). Mehr Sorgen machen mir die gesammelten Informationen über Hersteller und Werkzeuge. Vieles davon habe ich auf meiner Webseite veröffentlicht, Kataloge sind aber bisher nur wenige dabei. Hinzu kommt, dass mehrere meiner Kataloge schon sehr angegriffen sind von Alter und häufiger Benutzung.

Aus diesen Überlegungen heraus habe ich mich entschlossen, nach und nach zumindest einen Teil dieser Kataloge im Netz zu veröffentlichen. Ich denke, dass sie da besser aufgehoben sind als in irgendwelchen Archiven. Hier geht es zur Startseite:

Historische Werkzeugkataloge

Im Moment sind es nur wenige Kataloge, die ich vollständig eingescannt habe. Aber ein Anfang ist gemacht. Über Kritik und Anregungen würde ich mich freuen. Und falls jemand einen bestimmten Katalog sehen möchte, werde ich das gerne berücksichtigen.

Donnerstag, 24. Juli 2014

Hobelbäume in der Kirche

Das Wort "Hobelbaum" gibt es eigentlich nicht. Aber ich nenne die Weißbuche so, aus deren Holz in Deutschland traditionell Hobel gebaut wurden und werden. Weißbuchen würden nicht viele im Wald erkennen. Die meisten Leute kennen den Baum eher als Hainbuche und auch nur in seiner Verwendung als Hecke. Und in dieser Form ist er mir jetzt an einer Stelle begegnet, wo man sonst höchstens mal einen Tannenbaum findet, nämlich in einer Kirche.

Ich schaue mir gerne Kirchen an. Jede Kirche ist anders, und fast alle haben etwas, das mich anspricht. Ich kann es nicht in Worte fassen, aber darum soll es hier auch nicht gehen. Gestern war ich jedenfalls wieder einmal in der Heilig-Geist-Kirche in München und habe mir die Kunstinstallation "Garten Eden 2014" angesehen.

Bäume in der Kirche, das ist ungewohnt. Ich war überrascht, wie gut die Natur in diesen feierlichen Rahmen passt. Im hinteren Teil der Kirche bilden Hainbuchenhecken eine Art Labyrinth, im rechten Seitenschiff kann man sich auf niedrigen Hockern wie auf dem Waldboden fühlen, und im Altarraum ist sogar ein ganzer Kräutergarten mit sprudelndem Brunnen angelegt. Zwischen den Baumkronen ein Schwarm weißer Papiertauben, die durch das Hauptschiff in Richtung Altar fliegen. Sie gehören eigentlich zu einem anderen Projekt, aber fügen sich sehr gut in das Bild ein.

Die Installation "Garten Eden 2014" wurde von Gabriel Jilg gestaltet und ist noch bis zum 7. September zu sehen.

Garten Eden 2014


Garten Eden 2014


Garten Eden 2014

Sonntag, 29. Dezember 2013

Hobelbau klassisch - Der fertige Hobel

Hier geht's zum vorherigen Beitrag.

Seit dem letzten Beitrag über den Bau meines Hobels ist einige Zeit vergangen. Andere Dinge waren wichtiger, und die Werkstatt hat mich nicht oft gesehen in der letzten Zeit. Aber jetzt ist der Hobel fertig.

Ich habe die Kanten etwas abgerundet und ihn zwei oder drei Mal mit Leinöl eingelassen. Einen Handschoner wird er nicht bekommen. Ich wollte einen ganz einfachen Hobel bauen, auf traditionelle Weise und ohne all das "moderne Zeug", was das 20. Jahrhundert gebracht hat. Naja, so streng sehe ich das eigentlich nicht. Aber ein Handschoner hätte den Bau viel komplizierter gemacht.

Auf dieser Seite habe ich einige Informationen über die Entwicklung des Handschoners zusammengetragen.
http://www.holzwerken.de/museum/texte/handschoner.phtml
Eine einfache Befestigung mit Dübeln hätte mir nicht gefallen. Aber eine abgesetzte Gratnut mit halbkreisförmiger Begrenzung hätte ich ohne Oberfräse kaum herstellen können. Auch eine stärkere Abrundung der Rückseite wollte ich nicht machen. Da hat die Ästhetik über die Benutzbarkeit gesiegt.

Mir hat der Hobelbau sehr viel Spaß gemacht. Wenn man viel über Hobel schreibt, ist es sicher gut, wenn man selbst mal einen gebaut hat. Im Prinzip ist es gar nicht schwierig, aber natürlich liegt die Tücke im Detail. Und man muss schauen, wo genaues Arbeiten wichtig ist und wo man Freiheit in der Gestaltung hat.

Für meinen Erstling wollte ich mich eng an die Vorbilder halten. Mit der Genauigkeit hapert es allerdings etwas. Man merkt das daran, dass sich das Eisen nur schwer gerade einsetzen lässt. Irgendein Winkel stimmt nicht exakt, ich habe es nicht herausgefunden. Egal, ich bin sehr zufrieden. Und beim nächsten Mal werde ich noch sorgfältiger sein.